Islamisches Kulturzentrum Graz

Geladener Wettbewerb

Graz, AT

Projektdaten

Die Grundfragen der Einrichtung eines Islamischen Kulturzentrums in Graz, einer Initiative, die in Umfang und Inhalten in Österreich einen neuen Maßstab setzt, stellen sich unter den Prämissen der Offenheit, des Zusammenhalts und der Integration einer religiösen Gemeinschaft in einer Mehrheitsgesellschaft, die der Minderheit teilweise mit Mißtrauen und Vorbehalten begegnet. Diese Situation kann baulich und stadträumlich wie auch institutionell weder durch einen Rückzug auf erstarrte Traditionalismen noch durch oberflächliche Assimilation bewältigt werden, sondern nur durch bewußten Umgang mit der eigenen Geschichte, das heißt mit jenen Kernthemen der Religionsgemeinschaft, die auch für die aufnehmende Gesellschaft bedeutsam sein können. Als Grundlage für ein architektonisch-räumliches Konzept kommt hier vor allem das besondere Verständnis des religiösen als sozialem Raum zum Tragen, das den Islam auszeichnet. Das Islamische Kulturzentrum wird daher nicht als Raum verstanden, der sich aus dem profanen, weitgehend laizistisch-agnostischen Umfeld als sakraler Ort heraus zu heben versucht, sondern

1) als möglichst offene Anlage, in der sich unterschiedliche Aktivitäten überschneiden, überlagern und wechselseitig unterstützen und dadurch – ohne betonte Abgrenzung – Menschen mit Migrationshintergrund Identifikationsmöglichkeiten und Rückhalt bietet; und
2) als Teil des Stadtraums, in dem die Themen verhandelt werden, die heute für eine mitteleuropäische Großstadt typisch sind (oder sein sollten): Ökologie, Gendergerechtigkeit, kontextbewußtes Denken, soziale Kompetenz, intelligenter Umgang mit dem Bestand. Auf Basis des sozialen Pragmatismus, den islamische Kulturen in unterschiedlichen zivilisatorischen Kontexten entwickelt haben, wäre hier durchaus eine Vorbildwirkung möglich und anzustreben.

Im Interesse der Offenheit des Komplexes und ohne in geschichtslose Beliebigkeit zu verfallen, müssen traditionelle Moscheetypen auf ihre Wandelbarkeit hin überprüft werden: der traditionelle, introvertierte Moscheehof, der in eine kompakte, homogene Stadtstruktur eingebettet war, wird sich in einem aufgelockerten, heterogenen Umfeld, wie es für weite Bereiche der heutigen Stadt (exemplarisch an der südlichen Peripherie von Graz – siehe städtebauliche Analysepläne) charakteristisch ist, in eine lockere Abfolge von Zwischenbereichen (Zugangshof, Schulhof, Parkplätze und als Sonderfall der Moscheegarten) wandeln, die den weiten Freiraum im Inneren der Anlage mit dem Stadtraum vermitteln. Um diesen Freiraum und an den Zwischenbereichen liegen die funktionalen Einheiten des Zentrums (Schule, Kindergarten, Gastronomie und Geschäfte Mehrzwecksaal, Moschee), die aus ökonomischen wie auch städtebaulichen und aus Gründen der räumlichen Offenheit als Einzelbaukörper ausgebildet sind. Verbunden und erschlossen werden diese Bauteile über offene Laubengänge bzw. Flugdächer. Im Südteil dieses Freiraums bilden die Wandelgänge mit den daran anliegenden Teilen des Foyers drei Seiten des Moscheehofs. Da das Foyer aus klimatischen Gründen viele der sozialen und rituellen Funktionen übernimmt, die traditioneller Weise im Hof beheimatet sind, ist es entsprechend großzügig angelegt (die im Raumprogramm veranschlagten 200m2 sind hier, in Anbetracht der erwarteten Besucherzahlen entschieden zu niedrig angesetzt). Außerdem übernimmt das Foyer flexible Verteilungsfunktionen mit den der Moschee zugeordneten Bereichen der Gästezimmer, der Wohnungen und der Verwaltung, sowie in erster Linie zwischen Moschee und Veranstaltungshalle: Teile des Foyers (und der angeschlossenen Nebenraumzonen) sind flexibel beiden Räumen zuordenbar.

Das Prinzip des Filters und der flexiblen Erweiterung ist auch im Gebetsraum selbst angewandt. Dieser ist als offener, durch eine öffenbare, den Blick filternde, verglaste Gitterstruktur aus Eichenholz aber auch geschützter Bereich, in das Foyer hineingestellt. Diese Gitterstruktur baut auf einem auf dem Balkan und im osmanischen Raum sehr populären Muster auf das im traditionellen Tischlerhandwerk zum Fügen von Türen, Gittern oder Verkleidungen verwendet wurde. Um die Schwelle zwischen Foyer und Gebetsraum in offener Weise zu verstärken ist letzterer, ähnlich den Eyvans der frühen osmanischen Moscheen (z.B. grüne Moschee in Bursa), um ein paar Stufen erhöht. Zur Straße hin bildet die niedrige Vegetation des Moscheegartens einen weiteren Filter, der Ruhe und Konzentration beim Gebet erlaubt, ohne den Raum vollständig zu schließen. Die Frauengalerie führt das Thema der erhöhten Plattform als frei im Raum stehende Struktur fort, die zugleich den Oberlichtraum trägt, der den Betraum erhellt. Eine Aufwertung der Bereiche der Frauen innerhalb der Moschee soll nicht nur durch diese zentrale, im unmittelbaren Sinn tragende Rolle der Galerie angestrebt werden, sondern vor allem auch auf sozialem und praktischem Gebiet durch eine behindertengerechte Rampe, ein eigener Foyerbereich auf der Galerie (der auch als Erweiterung des Gebetsraums dienen kann) und großzügige Bereiche für die Waschungen.

Als einzige geschlossene Wand zeigt die Quibla in diesem polygonalen, filternden Raum die Gebetsrichtung an, während die Mihrab-Nische im gedämpften Licht ihrer mehrschichtigen Gußglas-Hülle schimmert. An der Quibla-Wand könnten auch als einzigem Ort des Kulturzentrums kostbarere Materialien, wie großflächige Steinverkleidungen oder Ornamente aus Keramik zum Einsatz kommen: Die Symbolik einer religiös bestimmten Transzendenz überhöht hier die Transparenz der filternden Hüllen.

Die flexible, gefilterte Offenheit der gesamten Anlage gewährleistet tagsüber eine offene Durchwegung und nachts dennoch Kontrolle der inneren Funktionsbereiche des Zentrums (Moschee, Verwaltung, Wohnungen, Kindergarten), während andere Bereiche (Veranstaltungshalle, Restaurant, Geschäfte, Seminarräume im Erdgeschoß der Schule) von außen betreten und damit autonom betrieben werden können (siehe Nutzungsschemas Tag / Abend). Diese Flexibilität wird durch drei große Tore an strategischen Punkten (Parkplatzzugang, Zugangshof an der Laubgasse, Schulhof am Nordrand des Grundstücks) erreicht.

Der Vegetation und den Außenanlagen kommt eine wichtige Rolle in der Definition des Ortes als offenes und zugleich integratives Kulturzentrum zu. Das Konzept definiert hier drei Ebenen:

a) Die alten Bäume des Bestandes: Da Bäumen in allen Kulturen speziell auch wegen ihres Alters eine große Bedeutung zukommt, wurden die vorhandenen Baumgruppen als wichtigste Verbindung zwischen den Bauteilen und durch den inneren Bereich des Zentrums hindurch interpretiert – als „Rückgrat" der Anlage.
b) Der Gartenhof bzw. Moscheehof verweist auf die islamische Tradition, die dem Wasser eine zentrale Rolle zuschreibt; er ist spezifisch traditionell bzw. kulturell geprägt.
c) Der Naturgarten, in den der Moscheekomplex eingebettet ist, bezeichnet die Dimensionen der Natur, die sich trotz jeweiliger kultureller Vermittlung (als Erhabenheit der wilden Natur, als Wüste, als „dritte Landschaft" im Sinn von Gilles Clement, usw.) einer spezifisch kulturellen Deutung stets durch ihre Aktualität entzieht; er könnte als kulturelles Konstrukt jenseits der Traditionen eine besondere Gemeinsamkeit zwischen den Traditionen herstellen.